Tablet statt Schulbuch?

Christian Büttner über Digitalisierung in Nürnbergs Klassenzimmern

Mädchen vor PC
Wie digital sind Nürnbergs Klassenzimmer?
© 2019 Jolanta Dworczyk / Nürnberg Digital Festival

02.03.2020, Eva Gansen

Welche Hürden müssen Schulen auf dem Weg zum “digitalen Klassenzimmer” nehmen? Wir sprachen mit Christian Büttner, seit 2014 verantwortlich für die Umsetzung der Digitalisierung an Nürnberger Schulen und Leiter des Instituts für Pädagogik und Schulpsychologie (IPSN) der Stadt Nürnberg.

Christian Büttner
Christian Büttner
© 2020 Christian Büttner

Wenn Sie sich die ideale digitalisierte Schule wünschen könnten, wie würde diese aussehen?
Christian Büttner:
Ich bin mir nicht sicher, ob es die ideale digitalisierte Schule gibt, denn dazu sind die einzelnen Schularten und Bedürfnisse zu unterschiedlich. Wenn ich mir die ideale Schule im digitalen Zeitalter wünschen dürfte, dann würde sie die Kompetenzen vermitteln, die Kinder und Jugendliche in der heutigen Zeit für ein selbstbestimmtes Leben in einer sich stetig ändernden Gesellschaft und Arbeitswelt benötigen. Die Ausstattung und Infrastruktur in einer Schule darf dabei keine Rolle mehr spielen, denn sie muss zum ständig verfügbaren Standard werden, so dass Lehrende und Lernende analog, digital, oder hybrid zusammenarbeiten können.

Wo sehen Sie die größten Herausforderungen für die Digitalisierung der Schulen – menschlich, technisch und pädagogisch?
Die Digitalisierung ist mit allen Vor- und Nachteilen und Extremen für mich ein gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Prozess, auf den die Institution Schule reagieren soll und muss.  

Die größte Herausforderung ist meiner Meinung nach dabei die Komplexität des Zusammenspiels zwischen Menschen, Pädagogik und Technik, da keines der Themen isoliert betrachtet werden kann. Hinzu kommen rechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen und Zuständigkeiten, die eine strategische Planung und Entwicklung erschweren. 

Welche Lösungsansätze gibt es hierfür?
Die Digitalisierung braucht eine nachhaltige, strategische Planung mit allen Beteiligten, das heißt einen verbindlichen Kommunikationsprozess mit transparenten Entscheidungen. Die Stadt Nürnberg hat diese mit ihrer Digitalstrategie für Nürnberger Schulen „Lernen und Lehren im digitalen Zeitalter“ entwickelt.

Welche Ihrer Digitalisierungsbemühungen zeigen bereits Erfolg? Wo gibt es noch am meisten zu tun?
Wir verfolgen vier Ziele: Die Anbindung aller Schule an das Glasfasernetz, die Vernetzung aller Schulgebäude, die Ausstattung der Schulen mit digitalen Endgeräten und die Lehrerfortbildung. Die Anbindung der Schulen an das Glasfasernetz wird Ende 2020 abgeschlossen sein und auch bei der Ertüchtigung der Schulgebäude sind wir auf einem guten Weg. Bei der Hardware und Software können die Schulen aus einem gemeinsam definierten Warenkorb wählen. Mit Microsoft Office 365 und Untis/Webuntis stehen den Lehrkräften starke Instrumente zur Schul- und Unterrichtsorganisation zur Verfügung. 

Das Fortbildungsangebot zu den unterschiedlichsten Digitalthemen wurde und wird ständig ausgebaut und wird von den Lehrkräften mit großem Interesse angenommen. Die größten Herausforderungen sind aus meiner Sicht die Anpassung der rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen sowie die Betreuung und Wartung der Hard- und Software. Die heutige IT-Infrastruktur mit ihrer Komplexität benötigt eine professionelle Betreuung.

Welches Land ist aus Ihrer Sicht Vorreiter der digitalen Schule und was wird dort anders gemacht?
Sicherlich sind die skandinavischen Länder, Israel, oder auch Singapur Vorreiter was die Digitalisierung angeht. Mein Eindruck ist, dass die dortige Bevölkerung insgesamt innovations- und technikfreundlicher, vielleicht auch neugieriger ist. Dort diskutiert man nicht nur die Risiken, sondern sieht vorrangig die Chancen der Digitalisierung und setzt sie gewinnbringend in der Schule ein.

Medienkompetenz ist eine der Schlüsselqualifikationen des 21. Jahrhunderts. Welche Rollen und Aufgaben sehen Sie hier bei der Schule und bei den Eltern?
Die Hauptverantwortung der Erziehung liegt bei den Eltern, denn es geht um ihr Kind bzw. ihre Kinder. Aber auch die Schule und die Lehrkräfte haben einen wichtigen Anteil an der Entwicklung der Schülerinnen und Schüler. Dadurch, dass durch digitale Medien und Geräte Lernen orts- und zeitunabhängig ist und Kinder und Jugendliche ständig Neuerungen und auch Gefahren ausgesetzt sind, müssen Elternhaus und Schule eng – und vielleicht noch enger – zusammenarbeiten.

Man darf aber nicht vergessen, dass die Kinder und Jugendlichen nicht nur digital fit sein sollten, analoge Fähigkeiten und soziale Kompetenzen sind genauso wichtig und bedeutsam.

Ihre Botschaft an die Eltern?
Früher waren es Bücher, in meiner Kindheit und Jugend war es der Fernseher und heute ist das Internet böse! Mit Gelassenheit und gesundem Menschenverstand werden Kinder auch in der heutigen Zeit groß.

Mehr zum Thema, Angebote für Schüler*innen und Lehrkräfte findet ihr im Programm der Digital School Days vom 13.–17. Juli 2020 – jetzt anmelden!

Eva Gansen

Kommunikation | Nürnberg Digital Festival: Ein Herz für Kultur & Kommunikation. Wenn ich nicht hier bin, bin ich auf'm Sonnendeck ... Oder im Theater, oder beim Konzert oder beim Schmökern oder :)