Wie klingen Gefühle? - Ein Interview mit Yves Peitzner

Veröffentlicht am June 03, 2025

Wie klingen Gefühle? - Ein Interview mit Yves Peitzner
Wie klingt ein Gefühl? In der interaktiven Installation Gefühlsrauschen erzeugen drei Menschen gemeinsam Musik – aus Gehirnströmen und Emotionen. Ein Dialog aus Klang, Licht und Innerem entsteht.

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Ein Interview von bayern design mit Yves Peitzner
Yves, wie ist die Idee zu Gefühlsrauschen entstanden – und was hat dich daran gereizt, zuerst Licht und jetzt Musik durch Gehirnströme und Emotionen erfahrbar zu machen?

Generell faszinieren mich unsichtbare Prozesse – Gedanken, Gefühle, Stimmungen. In früheren Arbeiten wurde Licht und meist auch Sound zur Sprache des Inneren. Musik als Interpretation von menschlichen Emotionen war für mich der logische nächste Schritt. Die Vorstellung, dass Gehirnströme - und die daraus ermittelten Emotionen eines Individuums – in einen kollektiven Klang übersetzt werden können, hat etwas fast Magisches. Mich reizt dieser Moment, in dem Technik nicht mehr distanziert wirkt, sondern eine Brücke schafft zwischen Innenwelt und Außenwelt, zwischen Menschen. 

In Gefühlsrauschen erzeugen drei Besucher:innen gemeinsam einen Klangraum. Was passiert da zwischen den Menschen – entsteht ein emotionales Klangkollektiv?

Ja, ich hoffe es! Gefühlsrauschen ist kein Solo, sondern ein kollektiver Prozess. Drei Menschen begegnen sich im Raum – mit ihren ganz individuellen inneren Zuständen. Diese Emotionen werden in Klang übersetzt, der sich wiederum unmittelbar auf die Anwesenden auswirkt.

So entsteht ein emotionaler Kreislauf: Gefühle formen Musik, Musik formt Gefühle. Aus dieser wechselseitigen Resonanz entsteht ein Klangkollektiv – ein Dialog zwischen Innen und Außen, zwischen Mensch und Raum der sich ständig weiterentwickelt.
Wie habt ihr die visuelle und räumliche Gestaltung konzipiert, um die Verbindung zwischen Mensch, Emotion und Klang erfahrbar zu machen? 

Die räumliche Gestaltung ist bewusst reduziert, um den Fokus auf die Interaktion der drei Personen im Zentrum zu lenken. Die Anordnung – drei Personen in einer offenen Dreieckskonstellation um eine zentrale Lichtskulptur – schafft eine klare, ruhige Struktur.

Die Lichtskulptur visualisiert den emotionalen “gemeinsamen Nenner” der Gruppe – also den vibe im Raum. Immersion spielt dabei eine zentrale Rolle: Nicht durch Reizüberflutung, sondern durch klare Gestaltung und unmittelbare Rückkopplung von Klang, Licht und Emotionen.
Wenn Technologie beginnt, unsere Emotionen zu lesen – welche Verantwortung trägt das Design? Wie geht ihr mit der Interpretation von so etwas Persönlichem wie Gefühlen um?

Technologie, die Emotionen erkennt, bewegt sich in einem sensiblen Bereich – und genau darin liegt ihre gestalterische Verantwortung. In Gefühlsrauschen geht es nicht um genaue Diagnosen, sondern um Stimmungen und emotionale Tendenzen. Die KI liefert keine Urteile, sondern Impulse.

Unser Ziel war nicht, Menschen zu analysieren, sondern Räume für Resonanz und Zusammenspiel zu schaffen. Deshalb ist das Design bewusst zurückhaltend, transparent und offen für Interpretation – denn Emotionen sind keine Datenpunkte, sondern komplexe, lebendige Zustände. 

Wohin könnten sich solche multisensorischen, datengestützten Installationen in Zukunft weiterentwickeln?

Ich sehe Potenzial in vielen Bereichen. In der Kunst als kollektives Erfahrungsfeld – ein neuer Zugang zu Empathie und Verbindung. 

In der Therapie etwa in Kinderkrankenhäusern, wo emotionale Zustände durch Licht und Klang sichtbar gemacht und sanft begleitet werden könnten. Auch im urbanen Kontext lassen sich solche Systeme weiterdenken: etwa in Smart Homes oder öffentlichen Räumen, die auf emotionale Zustände reagieren – und versuchen, durch gezielte Reize wie Licht oder Musik / Klang das emotionale Wohlbefinden aktiv zu unterstützen.

Was hat dich persönlich am meisten berührt an der Arbeit an Gefühlsrauschen? Gab es einen Moment, in dem Technik plötzlich sehr menschlich wurde?

Ich lasse in meinen Installationen meist bewusst etwas Unvollendetes. Es ist eine Art vorgegebenes Framework - erst durch die Präsenz der Besucher:innen wird das Werk vollständig. Viele meiner Arbeiten sind experimentell angelegt – ich beobachte gern, wie Menschen reagieren, agieren und in den Dialog mit dem Werk treten. 

Was mich an Gefühlsrauschen berührt, ist, wenn drei völlig unbekannte Menschen nebeneinandersitzen – und plötzlich ein harmonischer Akkord erklingt. Niemand spricht, und doch spürt man etwas zwischen ihnen entsteht. Für mich ist nicht die Technologie menschlich – aber sie kann das Menschliche sichtbar machen. Sie kann Verbindung ermöglichen und uns daran erinnern, dass wir manchmal Resonanz brauchen. 

#designconnects
Yves Peitzner ist ein multidisziplinärer Künstler und Gestalter, der sich auf immersive Medien, interaktive Installationen und lichtgesteuerte Erfahrungen spezialisiert hat. Er schafft multisensorische Erlebnisse, in denen Kunst, Technologie und Storytelling miteinander verschmelzen. Yves arbeitet für Museen, Kulturinstitutionen und globale Marken. Seine Arbeit umfasst sowohl groß angelegte immersive Installationen als auch sphärische Lichtskulpturen, KI-gesteuerte Kunst, Datenvisualisierungen und experimentellere Inszenierungen.

Die Installation Gefühlsrauschen ist eine Kooperation von bayern design, TISH und Studio KLING KLANG KLONG - geöffnet vom 02.07. - 05.07. von 16:00 - 21:00 Uhr in der Galerie Ostermayr.
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Sarah Grodd Projektmanagerin NUEDIGITAL