"Kommunalpolitiker sind nicht aktiv genug!"

PR-Experte Jan Frankowski über Social Media bei der Kommunalwahl

Blick durch Handy, das Veranstaltung filmt
© 2019 Hannes Hümmer / Nürnberg Digital Festival

12.03.2020, Eva Gansen

Die Plakatwerbung verkündet es schon seit Monaten: Am 15. März ist Kommunalwahl. Nur noch wenige Tage also, um sich zu informieren und zu überlegen, wo man die wertvollen Kreuzchen setzen möchte. Und wie ginge das schneller als über die sozialen Netzwerke? Aber welche Kandidat*innen sind eigentlich “social” unterwegs? Welche Kanäle am beliebtesten? Und worin unterscheidet sich ihre Nutzung? PR-Experte Jan Frankowski hat an einer Social-Media-Studie zur bayerischen Kommunalwahl 2020 mitgearbeitet – und spannende Antworten.

Jan Frankowski
© 2020 Jan Frankowski

Kannst du kurz zusammenfassen, was das Ziel der Social-Media-Studie war und wie ihr dabei vorgegangen seid?
Soziale Netzwerke werden für Unternehmen und Politiker*innen unerlässlich – könnte man meinen. Bei meiner Arbeit berate ich zahlreiche Kunden dahingehend und erfahre immer wieder, dass viele von ihnen skeptisch gegenüber der Online-Welt sind. Beim Monitoring von Facebook, Instagram und Twitter ist schnell aufgefallen, dass sehr große Unterschiede zwischen den Online-Strategien der einzelnen Kommunalwahlkandidat*innen auszumachen sind. Ziel war es, die Aktivität der Kandidat*innen in Zahlen zu fassen, um sie zumindest dahingehend vergleichbar zu machen. 

Damit der Umfang kompakt bleibt, haben wir uns auf die 15 größten Städte Bayerns und dort auf die Oberbürgermeisterkandidat*innen beschränkt. Von ihnen haben wir uns – sofern vorhanden – dann die Fanseiten auf Facebook, das Instagram-Profil und den Twitter-Account angesehen und die Followerzahlen ausgewertet. Eine Beschränkung auf die drei User-stärksten Netzwerke war im Nachhinein richtig. Denn sogar hier sind einige Politiker*innen aus Bayern schlecht aufgestellt. Bei Snapchat und Tik Tok wären die Zahlen nur noch ernüchternder gewesen.

Bei der Analyse handelt es sich also um eine rein quantitative Erhebung anhand von Followerzahlen. Auf die qualitative Bewertung der Interaktionen, Häufigkeit der abgesetzten Posts etc. wurde bewusst verzichtet. Für künftige Studien in der Kommunalpolitik – für die wir bereits im Gespräch mit der TH Nürnberg sind – wäre das jedoch durchaus denkbar.

Wenn du euere Studie auf den Punkt bringen müsstest: Was war das zentrale Ergebnis?
Kommunalpolitiker*innen sind in den Sozialen Netzwerken nicht aktiv genug! Wenn man etwas tiefer in die Ergebnisse eintaucht und auch etwas Gutes anmerken will, dann kann man jedoch sagen, dass ein Großteil von ihnen auf Facebook zumindest „angekommen“ scheint und vereinzelt mit Instagram stark nachzieht. Von Twitter haben aber offenbar noch längst nicht alle gehört.

Welche Politiker*innen haben am besten abgeschnitten, welche bilden das Schlusslicht – bayernweit und in der Metropolregion Nürnberg?
Unser Ziel war es nicht, irgendeinen Politiker als den Verlierer dastehen zu lassen. Daher haben wir lediglich eine Top-10 herausgegeben. Im Gesamtranking (also Facebook, Instagram und Twitter zusammen) landet Katrin Albsteiger von der CSU aus Neu-Ulm auf dem vordersten Platz – sie hat knapp 25.000 Follower. Hinter ihr kommen Dieter Reiter (22.754 Follower, SPD, München), Katrin Habenschaden (9.647 Follower, Die Grünen, München), Eva Weber (8.629 Follower, CSU, Augsburg) und Kristina Frank (8.213 Follower, CSU, München).  Auf Platz 6 landet mit Dr. Thomas Jung von der SPD der erste Franke. Der Fürther Oberbürgermeister erreichte über die Kanäle Anfang Februar knapp 8.000 Follower – dicht gefolgt von Dr. Florian Janik aus Erlangen (7.290 Follower, SPD).

Ein Blick auf die einzelnen Plattformen zeigt: Auch auf Instagram wird die Metropolregion von Jung und Janik in den Top Ten vertreten. Bei Twitter sieht es etwas anders aus – hier liegt Verena Osygan von den Grünen vorne. Thorsten Brehm, SPD-Spitzenkandidat aus Nürnberg, schafft es auch auf die Liste. Bei Facebook hingegen liegt sein direkter Kontrahent, Marcus König von der CSU, auf Platz 3 und ist seinen fränkischen Kolleg*innen damit voraus. 

Welche Social Media Plattform nutzen die bayerischen Spitzenkandidat*innen am liebsten?
Ganz klar Facebook. Zwar sind auch hier viele noch weit von ihrem maximalen Potenzial entfernt, aber immerhin sind fast alle vertreten.

Bayerns Social Media Top 10
Facebook-Ergebnisse
Instagram-Ergebnisse
Twitter-Ergebnisse

Wie werden die Plattformen genutzt? Welche Inhalte werden geteilt?
Das ist wohl die spannendste Frage, da sie Aufschluss über die Plattformstrategie gibt. Darunter verstehen wir die Strategie, WELCHE Inhalte WIE auf WELCHER Plattform funktionieren und folglich ausgespielt werden. Von harten Fakten über Bilder aus dem politischen und privaten Alltag bis hin zu Urlaubsfotos ist alles dabei. Unterschiede fallen dann wieder auf, wenn man die drei Kanäle nebeneinander legt. Einige Politiker*innen haben sich dafür entschieden, jeden Post einfach auf allen drei Netzwerken zu streuen – ohne Rücksicht auf die jeweiligen Follower. Das kann aus meiner Sicht nur bedingt erfolgreich sein. Denn: Die Zielgruppe auf Facebook ist tendenziell älter als auf Instagram. Die Follower auf Twitter sind nicht unbedingt dort unterwegs, um unterhalten, sondern informiert zu werden. Auf Instagram stehen visuell starke Formate und der Fun-Faktor jedoch viel mehr im Mittelpunkt. Nur, wer sich vorab intensiv mit der Logik, der Bildsprache, den Followern und deren Erwartungshaltung auf den jeweiligen Plattformen auseinandersetzt, – sprich: eine Plattformstrategie erarbeitet – wird sich auch überall eine starke Community aufbauen können.

Gibt es erkennbare Unterschiede zwischen den Parteien, was die Nutzung von Social Media angeht?
Grundsätzlich ist festzuhalten, dass sich die Top Ten doch aus sehr ähnlichen Namen zusammensetzt. Das bedeutet, Politiker*innen, die auf einem Kanal erfolgreich sind, sind es häufig auch auf den weiteren untersuchten. Zum einen kann das daran liegen, dass manche Follower über Plattformgrenzen hinweg folgen. Zum anderen spricht es aus meiner Sicht jedoch stark dafür, dass diese Politiker*innen sich mit dem Thema Social-Media-Strategie intensiver auseinandergesetzt haben und dadurch das Potenzial der jeweiligen Plattformen bestmöglich nutzen.

Bei unserer Studie haben wir uns nicht von parteipolitischen Färbungen leiten lassen. Entsprechend haben wir einen Blick auf die zahlenmäßig erfolgreichsten Accounts geworfen. Dass dabei die Grünen schwächer abschneiden als SPD und CSU, hat unterschiedliche Gründe, die wir nur annehmen können. Gleiches gilt für die Tatsache, dass es weder ein*e AfD-Politiker*in noch ein*e Freie Wähler-Politiker*in auf die Spitzenplätze geschafft hat. Immerhin hat es ein Kandidat der V-Partei aus Augsburg geschafft und beweist damit, dass hier auch Kleinstparteien Erfolge feiern können. Ein Grund für das insgesamt starke Abschneiden von CSU und SPD könnte sein, dass die Parteien und Politiker*innen besser abschneiden, die bereits im Amt sind oder Ämter – zum Beispiel im Stadtrat – innehaben. Sie sind so in der Stadt bereits bekannt und können davon auch online profitieren. Bestes Beispiel wäre hier Fürths Oberbürgermeister Dr. Thomas Jung. Er nutzt erst seit kurzem Instagram, hat dort aber mit Sicherheit auch seine hohe Popularität in der Stadt nutzen können, um binnen zwölf Monaten mehr als 3.000 Follower zu generieren. Hier könnten kleinere Parteien, die weniger Ämter besetzen, tendenziell einen Nachteil haben.

Auch die finanziellen Mittel der Parteien in der Kommune spielen eine Rolle. Social-Media-Arbeit ist – wie der Name sagt – Arbeit. Sie muss erledigt werden und kostet Zeit. Wer mehr Geld zur Verfügung hat, kann sich eher von einem Team und oder sogar Kommunikationsexpert*innen unterstützen lassen, Social-Media-Schulungen besuchen etc. Größere Parteien haben da mit Sicherheit einen Vorteil. 

Bei Twitter gibt es scheinbar noch Nachholbedarf: Nur die Hälfte der Befragten ist überhaupt aktiv, nur neun der untersuchten KandidatInnen haben über 1.000 Follower. Man könnte meinen, dass sich Twitter als reaktionsschnelles Medium mit starkem Nachrichtencharakter eigentlich gut für den Wahlkampf eignet. Woran liegt das deiner Meinung nach?
Aus meiner Sicht gibt es mehrere gute Erklärungen dafür, dass Twitter bislang wenig bei den Kommunalpolitiker*innen angenommen wurde. Abseits der Spitzenämter sitzen in den Stadträten Menschen, die noch einen weiteren Beruf ausüben und zudem kein Team haben, das sich um die Social-Media-Arbeit kümmert. Viele sind von der Schnelligkeit von Twitter einfach überfordert und meinen, dass sie nicht mithalten können.

Ein ebenfalls starkes Argument, warum ich einer Kandidatin oder einem Kandidaten auch raten würde zunächst Facebook und Instagram gut aufzusetzen und Twitter hintenanzustellen, ist, dass Twitter auch bei den anderen Entscheidungsträger*innen in der Kommune oft nicht angekommen ist. Man muss das Netzwerk verstehen, um das zu begreifen: Auf Twitter sind viele Politik-Vollprofis, Berufspolitiker*innen, Journalist*innen und andere namhafte Entscheidungsträger*innen online. Debatten, die hier geführt werden, landen am nächsten Tag in der Zeitung. Ein Tweet kann Schlagzeilen generieren. Auf der kommunalen Ebene ist es häufig so, dass die Chefredakteur*innen der Lokalzeitungen selbst gar kein Twitter haben. Für wen kommunizieren die Lokalpolitiker*innen also? Viel Zeit in Tweets zu stecken, ist aus meiner Sicht einfach nicht zielführend genug, um es anzugehen. Ob sich das ändern wird, weiß ich nicht. Aber da die Facebook- und Instagram-Accounts bei den meisten noch nicht einmal professionalisiert sind, lohnt es sich nicht, ein weiteres Fass aufzumachen.

Wie denkst du wird sich die Social Media Nutzung in der bayerischen Politik weiterentwickeln? Welche Trends zeichnen sich ab?
Der Trend scheint dahin zu gehen, dass sich langsam aber sicher jede*r eine Fanseite anlegt. Darüber hinaus haben immer mehr Politiker*innen Instagram und experimentieren herum. Auch, wenn der Auftritt teilweise amateurhaft erscheint und noch nicht besonders viele Follower generiert, bin ich froh, dass es überhaupt passiert. Denn: Nur, wer sich dem Thema annähert, ausprobiert, die Reaktion analysiert und dann an Stellschrauben dreht, kann auf Dauer erfolgreich werden.

Über Jan Frankowski

Ich bin 1989 in Fürth geboren und habe Politikwissenschaft in Erlangen und den USA studiert. Nach dem Masterstudium zog es mich nach Berlin zur Axel Springer Akademie, wo ich eine Multichannel-Ausbildung zum Journalisten machte. Social Media war dabei von Beginn an ein wichtiger Teil meiner Arbeit – heute geht es ja auch für Journalist*innen darum, an alle Plattformen gleichermaßen zu denken. Nach meiner Arbeit für das Social-Media-, das Video- und Politik-Ressort bin ich 2018 wieder in meine Heimat zurück, um in der (politischen) Öffentlichkeitsarbeit Fuß zu fassen. Bei KONTEXT kümmere ich mich vornehmlich um Social Media, Video und natürlich auch weiterhin um Text und Kommunikationsberatung. Meine Herangehensweise: „Social Media ist nicht alles. Aber alles ist für Social Media“ – Wichtig ist, dass man zumindest darüber nachdenkt, ob der eigene Content auch online Menschen faszinieren kann. Kreativität hat selbst das langweiligste Produkt schon zum Social-Star gemacht.

Eva Gansen

Kommunikation | Nürnberg Digital Festival: Ein Herz für Kultur & Kommunikation. Wenn ich nicht hier bin, bin ich auf'm Sonnendeck ... Oder im Theater, oder beim Konzert oder beim Schmökern oder :)

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